„Ich bin gerne Chef“ – Der Spiegel Online über mich
Marburg. „Du willst nicht den Knecht für andere spielen“, der Gedanke formte sich schon im Studium im Kopf von Kristina Markovic. Mit 13 hatte sie gejobbt, später eine Lehre als Optikerin gemacht. Während des Architektur-Studiums nahm sie erste Aufträge an. Mit dem Abschluss stand der Entschluss: Sie wollte sich selbstständig machen. 2009 gründete sie mit 27 Jahren ihr Büro für Innenarchitektur in Marburg.
Der Weg der heute 32-Jährigen ist nicht untypisch für Unternehmensgründerinnen, sagt Iris Kronenbitter von der Bundesweiten Gründerinnenagentur (bga) in Stuttgart. „Sie sind in der Regel fachlich gut qualifiziert“, sagt Kronenbitter. Außerdem machten sich immer mehr Frauen direkt nach der Ausbildung selbstständig. „Früher lag das Gründerinnenalter bei Mitte 40.“
Weibliche Firmengründer arbeiten nachhaltig
Untersuchungen zeigen, dass Frauen Firmengründungen anders angehen als Männer. „90 Prozent der Frauen, die sich selbstständig machen, starten im Dienstleistungssektor“, sagt Kronenbitter. Deshalb sei der Kapitalbedarf in der Regel niedriger und die Unternehmensgröße kleiner. Außerdem wirtschafteten weibliche Firmengründer häufig nachhaltiger: „Von Frauen geführte Unternehmen bleiben länger im Markt, weil sie konsequent reinvestieren.“
Vor allem aber gingen Frauen häufig sehr gezielt vor, so die Erfahrung von Kronenbitter. Das war auch bei Kristina Markovic der Fall. Sie machte bei einem Business-Plan-Wettbewerb mit. „Das hat sehr geholfen“, sagt sie. Seit 2009 erzielt sie jährliche Zuwachsraten von 40 bis 50 Prozent bei Umsatz und Gewinn. Für Kronenbitter keine Überraschung. „Frauen sind entschieden besser vorbereitet.“
Dabei sind Frauen unter den Gründern immer noch in der Minderheit. Ihr Anteil an den Selbstständigen liegt in Deutschland seit Jahren bei gut 30 Prozent, auch wenn er zuletzt leicht gestiegen ist. Während die Zahl der Gründungen insgesamt zurückgeht, entwickelten sich die von Frauen initiierten Gründungen stabil.
„Das Gründungsinteresse von Frauen steigt stetig“, sagt Gründungsexperte Marc Ewers von der DIHK. „Wenn wir die Lücke zwischen Interesse und tatsächlicher Gründung schließen würden, könnten wir 50 000 neue Arbeitsplätze schaffen“, glaubt er. Doch auch die Abbrecherrate ist bei Frauen höher. „Frauen beenden ihr Projekt früher, das heißt aber nicht, dass sie mit ihrem Unternehmen pleitegegangen sind.“ Der Grund liegt unter anderem darin, dass Frauen weniger risikofreudig sind. Das ist laut KfW-Expertin Margarita Tchouvakhina eigentlich ein Vorteil. „Frauen reagieren schneller auf Krisen und kommen schneller daraus“, sagt sie.
Das war auch bei Yvonne Wilmes der Fall. Die heute 50-Jährige gründetet 2004 eine Firma für Vertriebslösungen in Nagold im Schwarzwald. Nachdem Aufträge wegbrachen, entließ sie ihre Mitarbeiter, arbeitete nur noch mit anderen Selbstständigen, um flexibler reagieren zu können – und schrieb wieder schwarze Zahlen.
Wilmes ist in vielerlei Hinsicht eine Ausnahme. Sie kündigte 2004 nach 25 Jahren bei ihrem damaligen Arbeitgeber Hewlett-Packard, um sich selbstständig zu machen. Ihr war klar: „Ein kleines Rad in einer großen Firma wollte ich nicht mehr sein.“
Die Mehrheit startet in die Selbstständigkeit aus einer Anstellung oder als Teilzeit-Hausfrau im Nebenerwerb. „Das bringt aber auch mehr Flexibilität“, sagt KfW-Chefvolkswirt Jörg Zeuner.
Dabei ist es gerade die Vereinbarkeit mit der Familie, die viele Frauen davon abhält, sich selbstständig zu machen, sagt DIHK-Experte Ewers. Yvonne Wilmes hatte Glück. Ihr Sohn war damals gerade mal fünf Jahre alt, ihre Tochter mit 17 „aus dem Gröbsten raus“. Ihr Mann stand hinter ihr. Sonst, sagt sie, hätte sie das nicht geschafft.
Im Verhandlungsgespräch mit der Bank hätten Frau und Männer gleiche Chancen, sagt KfW-Chefvolkswirt Zeuner. Die Erfahrung hat auch Evelyn Bader gemacht. Sie gründete in diesem Jahr im Alter von 60 Jahren eine Agentur mit nachhaltigen Reiseangeboten speziell für Frauen. Ihr Vorteil: Die Bank kannte sie, außerdem konnte sie Erfahrung vorweisen. Sie hatte bereits eine Firma mit einer Partnerin gegründet. Neben der Erfahrung konnte sie auch einige Kunden vorweisen, die ihr die Treue hielten. Bislang arbeitet sie zwar wie viele Gründerinnen als „Ein-Frau-Betrieb“. Das soll sich aber ändern.
Auch Kristina Markovic will weiter expandieren. „Im Moment arbeite ich bewusst noch alleine“, sagt sie, allerdings: „Ich bin gerne Chef.“ Sie bekomme zwar viele interessante Bewerbungen, derzeit scheut sie aber noch die Verantwortung. Über kurz oder lang werde sie zumindest projektweise Hilfe brauchen, sagt sie. Es läuft zu gut: „Alleine schaffe ich das nicht mehr.“
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